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Gesundheits-Politik

Chronologie von 1997 bis 2018


Am 01.Januar 1998 verkaufte der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald seine 3 Krankenhäuser in Breisach, Müllheim und Titisee-Neustadt an den privatwirtschaftlichen Krankenhausbetreiber Helios Kliniken GmbH von Dr. Lutz Helmig zu einem symbolischen Preis. Der Landkreis behielt aber eine Sperrminorität von 26%, um weiter mitreden zu können. Die 3 Krankenhäuser waren sanierungs- und modernisierungsbedürftig, In Müllheim war ein Neubau unumgänglich. Nach einem Interview mit dem damaligen Landrat Jochen Glaeser (CDU) waren die Investitionskosten von 100 Mio. DM für den Landkreis nicht zu stemmen. In den Vertrag wurde eine Zeitklausel von 20 Jahren eingebaut, da „man solche Verträge nur auf eine überschaubare Zeit machen kann“. (Presse: Das Krankenhaus in Breisach – ein „Riesenproblem“)


Bis 2004 rechneten die Krankenhäuser im Wesentlichen nach tagesgleichen Pflegesätzen ab. Um einen stärkeren Anreiz für ein wirtschaftliches Verhalten zu setzen, wurde ab 2004 unter der rot-grünen Koalition von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) die Abrechnung umgestellt. Sie erfolgte nun auf der Basis diagnosebezogener Fallpauschalen (DRG = Diagnosis Related Groups) nach australischem Vorbild.


Nach dem DRG-System erfolgt für die Behandlung eines Patienten mit einer bestimmten Diagnose eine pauschale Vergütung. Gestaltet sich die Behandlung eines Patienten aufwendiger, als durch die pauschale Vergütung gedeckt, macht das Krankenhaus Verlust. Gelingt es aber, wirtschaftlicher zu arbeiten, als bei der Kalkulation der DRG-Pauschale berechnet, lässt sich ein Gewinn erzielen. Mit der Einführung der diagnosebezogenen Fallpauschalen nimmt die Orientierung an wirtschaftlichen Zielen weiter zu. Dies wirkt sich negativ auf die Patientenversorgung und auf den Arbeitsalltag der Ärztinnen und Ärzte aus. (Presse: Auswirkungen der DRG-Einführung, Film: Der marktgerechte Patient, Film: Profit statt Patientenwohl, Film: Kollaps im Krankenhaus). Der Helios-Konzern machte teilweise einen Gewinn von 23% des Umsatzes, arbeitet also trotz der hohen Investitionskosten hochprofitabel.


Im Oktober 2005 verkaufte Dr. Lutz Helmig die Helios Kliniken GmbH für 1,5 Mrd an den größten deutschen Gesundheitskonzern Fresenius, ein DAX-Unternehmen. Die Fresenius Aktie stieg von Anfang 2000 bis Anfang 2017 von 7,86 € auf 74,07 €, also auf 800 % des Einsatzes. 2017 betrug der Konzerngewinn € 728 Mio.  bei einem Umsatz von € 8,67 Milliarden


Die Gesundheitskonzerne machen in dieser Zeit noch 12 bis 15% Rendite /Jahr und damit mehr als die Banken. Der Gewinn wird herausgepresst aus Patienten, Personal und gesetzlichen Krankenversicherungen. Profiteure sind die Konzerne und die Aktionäre (Film: Der marktgerechte Patient). Aufgrund der Privatisierung müssen jetzt mit den Aufwendungen für die Krankenversorgung auch die Gewinne der Konzerne mitfinanziert werden. Die Politik führt als Grund für die Privatisierung die explodierenden Kosten an.
In Deutschland werden aber seit 1950 jährlich ziemlich konstant um die 10 bis 11% des Bruttoinlandsprodukts für das Gesundheitswesen ausgegeben. Es hat nach Meinung vieler Experten nie eine Kostenexplosion gegeben. (Film: Der marktgerechte Patient). Prof. Giovanni Maio, Direktor des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin in Freiburg, formuliert die Konsequenzen dieser Einsparungspolitik: „ Die Pflege ist der Feind in betriebswirtschaftlicher Sicht, weil sie Geld kostet. Deshalb wurden ca. 50 000 Stellen im Pflegebereich in den letzten 15 Jahren abgebaut.“ (Film: Der marktgerechte Patient, Film: Corona und kein Personal)


Chronologie ab 2019


Ab 2019 wird es erklärtes Ziel der schwarz-roten Bundesregierung unter Bundeskanzlerin Merkel (CDU) und Bundesgesundheitsminister Jens Span (CDU), die medizinische Versorgung der Bevölkerung durch Zentralkliniken zu „optimieren“. Im November 2018 fordern die Wirtschaftsweisen die Schließung von Krankenhäusern. Gesundheitsökonom Reinhard Busse vertritt in der Fernsehsendung „Hart, aber fair“ am 18.11.2019 das Ziel, die jetzt bestehenden ca. 2000 Kliniken in der BRD in den nächsten Jahren auf 400 zu reduzieren. ( siehe Film: Zu klein, zu teuer, zu schlecht). Grundlage seiner Behauptung ist die sog. Bertelsmann-Studie von 2019 mit dem Titel: Zukunftsfähige Krankenhausversorgung. Simulation und Analyse einer Neustrukturierung der Krankenhausversorgung am Beispiel einer Versorgungsregion in Nordrhein-Westfalen (siehe: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.): Zukunftsfähige Krankenhausversorgung) Diese Untersuchung bezieht sich ausschließlich auf Nordrhein-Westfalen (Pro und Contra siehe Film: Zu klein, zu teuer, zu schlecht und Dokument: Umstrittene Schrumpfkur- Pro und Kontra). Trotzdem geht in Baden-Württemberg die grün-schwarze Regierung unter Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) und Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) gegen die „Tante-Emma-Krankenhäuser“ im Land vor, obwohl Baden-Württemberg die geringste Bettendichte in der BRD hat. Pro 100 000 Einwohner verfügt Baden-Württemberg nur über 503 Betten und ist im Bundesgebiet absolutes Schlusslicht. Zum Vergleich verfügt Nordrhein-Westfalen, in dem die Bertelsmann-Studie durchgeführt wurde, über 667 Betten. Thüringen ist mit 743 Betten Spitzenreiter und der Bundesdurchschnitt liegt bei 601 Betten/100 000 Einwohner (siehe Presse: Anzahl der Krankenhausbetten je 100.000 Einwohner).


Die schwarz-rote Bundespolitik unter Bundeskanzlerin Merkel (CDU) und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat seit 2019 allein 4 Vorschriften erlassen, die kleineren Krankenhäusern das Überleben erschweren und zu einer Krankenhausreduzierung führen werden.


1) Notfallstufenkonzept des Gemeinsamen Bundesausschusses. (siehe Presse: Drei Stufen für die Notfallversorgung)
2) Pflegepersonal-Untergrenzen-Verordnung (PpUGV) (siehe Presse: Umsetzung der Verordnung zur Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen in Krankenhäusern)
3) Gesetz zur Stärkung des Pflegepersonals (PpSG) (siehe Presse: Gesetz zur Stärkung des Pflegepersonals)
4) Mindestmengenregelungen gemäß § 136b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V des Gemeinsamen Bundesausschusses (siehe Presse: Mindestmengenregelungen gemäß § 136b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V)

15% der Krankenhäuser befinden sich im Jahr 2020 im "roten Bereich" erhöhter Insolvenzgefahr. Bis 2025 ist laut Krankenhaus-Rating-Report fast jede 5. Deutsche Klinik insolvenzgefährdet (Presse: 2025 droht die Krise: Fast jede fünfte deutsche Klinik insolvenzgefährdet). Prof. Wübker teilt die Sorge, dass sich die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser weiter verschlechtert hat. Inzwischen nehme die Zahl der gemeldeten Insolvenzen merklich zu, sagt Wübker. Ein Krankenhaus muss aber Gewinn machen, weil die Länder schon seit Jahrzenten ihrer Verpflichtung zur Finanzierung der Investitionen nicht nachkommen. Die Krankenhäuser müssen deshalb die fehlenden Investitionen der Länder ausgleichen (siehe Film: Zu klein, zu teuer, zu schlecht).


Neue Entwicklungen


Durch einen Gesetzentwurf vom 08.Januar 2020 von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) soll die Notfallversorgung reformiert werden (Presse: Reform der Notfallversorgung. Lob und Kritik für Gesetzentwurf ). Danach soll ein gemeinsames Notfallleitsystem (GNL) die Patientenversorgung steuern. In Integrierten Notfallzentren (INZ) an bestimmten Krankenhäusern erfolgt die Ersteinschätzung des Patienten. In Breisach wird es kein Integriertes Notfallzentrum (INZ) geben, das bedeutet: Alle Patienten müssen für eine Erstbehandlung nach Freiburg in das INZ. Dieser Gesetzesentwurf liegt jedoch momentan auf Eis.


Vom Kreistag Breisgau-Hochschwarzwald wurde am 17.12.2018 ein Beschluss hinsichtlich des Zukunftskonzepts der Helios Breisgau-Hochschwarzwald Kliniken und der Neuausrichtung der Helios Rosmann Klinik in Breisach gefasst (Drucksache Kreistag). Seit der Kündigung von Herrn Dr. Georgi im Jahr 2019 gibt es keine Visceralchirurgie. Für den internistischen Chefarzt Herrn Dr. Walter, der bereits 2020 das Rentenalter erreicht hat, ist bis jetzt kein Nachfolger in Sicht. Nachdem die Notfallversorgung zeitweise auf die Tageszeit beschränkt war, ist die Klinik jetzt erfreulicherweise wieder für Notfallpatienten an 7 Tagen in der Woche rund um die Uhr erreichbar.


Die Notwendigkeit eines Fortbestandes des Breisacher Krankenhauses wurde in einem offenen Brief vom 09.07.2018 an die Landrätin Frau Dorothea Störr-Ritter (CDU) eindringlich beschrieben (siehe Offener Brief vom 09.08.2018 an die Landrätin Frau Dorothea Störr-Ritter).